Philosophie

Das echte alpenländische Volkslied ist gekennzeichnet durch die regionale Zugehörigkeit und der je nach Region typischen Singweise. Die Lieder "vagabundierten" aber immer schon mit ihren oft wandernden Sängern von einem Ort zum Anderen. Dabei erfuhren sie leichte Veränderungen. Auch durch die persönliche Eigenart des Menschen ist ein Lied niemals ganz dem überlieferten Vorbild an zu gleichen. Vielmehr ist es sogar erwünscht, dass eine Gruppe im Laufe ihres Bestehens ihre eigene Art zu singen findet, solange dies in dem manchmal schwer begreiflichen "stilistischen Rahmen" geschieht. 

Diese Veränderungen sind gut und wichtig für das Volkslied und im übertragenen Sinne natürlich auch für die Volkskultur im Allgemeinen. Diese langsamen und unbeabsichtigten Veränderungen sind „gewachsen“ und haben so auch das richtige Tempo. 

Absichtlich herbeigeführte Veränderungen, nur um der Veränderung Willen, sind aber insofern bedenklich da sie dem Gedanken der Tradition grundsätzlich widersprechen.  Tradition ist eben das genaue Gegenteil von Mode!

Alles hat seinen Platz. Wenn man diesen Maßstab ansetzt, dann muss dieser Anspruch aber auch für die Tradition gelten!  Eigentlich möchte man meinen, dass jene missionarischen oder kolonialistischen Tendenzen, sich über andere Menschen drüber zu stülpen, ihnen ihre Lebensart nehmen und ihnen eine Andere auf zwingen zu wollen, längst überwunden sein sollte. Leider muss ich besonders im globalen Zusammenhang aber das genaue Gegenteil feststellen. Ja genau Diejenigen die so „liberal“ denken und von Toleranz reden sind es, die am wenigsten Respekt vor der Volkskultur haben. Leider wird Volkskultur immer noch politisch „missbraucht“. Diesmal aber von Jenen die sich am weitesten weg von nazistischen Ideologien sehen wollen. Ich persönlich habe sogar eher den Verdacht, dass es genau diejenigen sind die Angst vor der gewachsenen Vielfalt haben. Sie sind manchmal sogar Weltreisende die ihre Impressionen wieder mit zurück bringen, halten Vorträge und verteidigen mit Recht andere Kulturen. Verachten aber oft die eigene Kultur mit dem unrichtigen Vorwurf, dass jeder der von Volkskultur  redet im Verdacht stünde auch „völkisches Gedankengut“ unter die Menschen bringen zu wollen. Hier kann ich nur sagen: „Lernen sie Geschichte“ (Zitat von Bruno Kreisky). Alpenländische Volkskultur gibt es schon mindestens seit dem Mittelalter!

Die momentanen „Säuberungen“ in der Medienlandschaft sind ohne Respekt und nebenbei äußerst undemokratisch. 

Im Moment stelle ich in Salzburg fest das es für älteren Menschen, die in der Region aufgewachsen sind, kaum mehr eine für sie hörbare Musik im Rundfunk gibt. 

Und das obwohl dieser Bevölkerungsanteil demographisch gesehen bei weitem keine Minderheit mehr ist! Ich mache diese Erfahrung jeden Tag wieder aufs Neue im Krankenhaus in dem ich arbeite (Pflege). In den Seniorenheimen ist die Situation noch viel schlimmer. Ich finde diese Entwicklung beschämend. Diese Bevölkerungsschicht aber protestiert nicht. Sie haben nur etwas Wichtiges am Tag verloren. Das Radiohören.  Oftmals das Einzige was ihnen noch geblieben ist! Dazu kommt eine voranschreitende Verbannung der eigenen Mundart aus den Medien und zeigt aus meiner Sicht klar auf, welche Geisteshaltung diesem Bestreben zu Grunde liegt!  Ich wäre auf den Protest in England neugierig wenn dort im (Regional) Radio 90% deutschsprachige Musik gespielt werden würde. 

Wir bewundern doch auch andere alte Traditionen in anderen Kulturen.  Warum also dürfen wir nicht die unseren bewahren? Warum wird immer öfter behauptet wir sollten sie ändern? Niemand muss etwas ändern! Wer sich für Tradition interessiert wird zwangsläufig fasziniert sein von den Menschen früher und deren Lebensart. Und all jenen die nicht interessiert sind kann ich nur zurufen. Die Volksmusik ist nichts für euch! Ihr versteht sie nicht! Macht doch lieber gleich moderne Musik. Das ist ja auch gut, aber bitte beschädigt nicht die Volksmusik bis zur Unkenntlichkeit! 

Was aber ist nun Volksmusik? 

In dem Wort liegt schon viel an Erklärung. „Vergessen wir doch nicht bei der Volksmusik das Volk selbst!“ Sagte eine von mir sehr geschätzte Person in der Volksmusik in einem Gespräch zu mir. Für mich persönlich gilt daher immer die Faustregel: Wenn drei Generationen noch miteinander singen und musizieren können und gemeinsam etwas Schönes dabei empfinden, dann ist es Volksmusik! 

Wenn nur die „Alten“ etwas damit anfangen können so ist der Funke nicht übergesprungen und die Entfernung zu den jüngeren Generationen ist bereits zu groß. Wenn aber nur die „Jungen“ etwas damit anfangen und die "Alten" gar nicht mehr mitspielen wollen, oder vielmehr aufgrund der unberechenbarkeit, oder technischer Akrobatik nicht mehr mitspielen können, dann ist es sicher keine Volksmusik mehr! 

Und noch ein wichtiger Erkennungsfaktor besteht für die echte Volksmusik. Sie unterscheidet sich seit jeher von der Hochkultur als die Kunst des „kleinen Mannes“. Diese Menschen waren meist mit harter Arbeit in der Landwirtschaft beschäftigt und haben nur „nebenbei“ gesungen und musiziert.

Die echte Volksmusik ist damit seit jeher die Domäne des Autodidakten! Sie ist aber genau deswegen begreifbar, spielbar und von einer Schlichtheit geprägt in der man immer die nötige Demut  spürt.    Gemütlich eben und von einem einfachen Charme der, wenn man zu viel daran dreht sofort "leblos" wird. Bildhaft übertragen könnte man sagen, dass ein noch so prachtvolles Edelrosenbouquet niemals den Zauber eines Feld- oder Almblumenstraußes ersetzen wird können.

Seit einiger Zeit spürt man auch ein Bemühen, dass das „Einfache“ mehr und mehr zu verdrängen versucht und stattdessen mit stilistisch unpassenden Elementen, depressiven Harmonien, technischer Virtuosität oder einfach nur einem abartigen Tempo ersetzen zu wollen. Dabei sollte man sich aber Eines stets bewusst sein:  Volkslied und Volksmusik ist Volkseigentum! Das heißt aber, da geistiges Eigentum auch über den Tod hinaus Gültigkeit hat.  Und das deshalb dieses Eigentum im  Sinne unserer Vorfahren weiter getragen werden sollte. Sie haben uns dieses wertvolle Kulturgut anvertraut. Nur so ist es einst auch unseren Nachkommen möglich ihre Wurzeln zu spüren. 

Manchmal ist es aber leider wie in der Gentechnik üblich geworden Originale abzuändern und zu Vereinnahmen. Ja schlimmer noch sie zu patentieren, oder gar zu demontieren!

Überall auf der Welt sind die traditionellen Kulturen zunehmend mit dem Phänomen der Vereinheitlichung bzw. Globalisierung in einem unnötigen Konflikt. In diesem Spannungsfeld sollte es unser Bestreben sein, so zu gestalten dass die „Quelle“ trotzdem immer gut erkennbar bleibt! 

Hält man sich daran so ist dies von Identität stiftender Bedeutung. 

Ich persömlich empfinde eine tiefe Ehrfurcht wenn ich es mit (guten) Dingen zu tun habe, die vor Jahrhunderten bereits gleich waren wie heute. Egal ob dies im Bereich der Musik, Achitektur oder Handwerkskunst zu finden ist. Bei weitem nicht alles das man zu "verbessern" versucht wird dadurch auch tatsächlich besser, wia man am Beispiel der plastischen Chirurgie gut erkennen kann. Verändert man ein Gesicht nur um der Veränderung willen, dann wird es nicht "schöner" sondern meist nur verstümmelt. Warum wohl? Weil der Wiedererkennungswert bzw. der Charakter eines Gesichtes unwiederbringlich verloren gegangen ist und es danach maskenhaft und fremd wirkt.  In dieser Welt in der viele  Menschen schon dadurch krank werden, weil sich diese immer schneller verändert und Nichts mehr fix zu sein scheint, ist gerade die Tradition fähig die Generationen zu vereinen. Nicht nur jene drei Generationen die sich meist im Leben berühren, sondern auch jene die einst waren und jene die einst sein werden. 

Sie ist damit einen unverzichtbarer Bereich in unserer soziokulturellen Identität und Entwicklung!

Ich möchte hier selbstverständlich nicht für alle Mitglieder in unserer Gesangsgruppe und schon gar nicht für alle Volkskulturschaffende sprechen.

Wir im Innergebirg Viergesang aber streben in unserer Art zu Singen danach, das uns Geliehene (nicht Geschenkte) möglichst unbeschädigt und erkennbar weiter zu reichen an Jene, …….die nach uns kommen werden.

Hannes Rola